Kopenhagen gilt als eine der fahrradfreundlichsten Städte der Welt. Und in der Tat wird das Bild der dänischen Metropole von Menschen auf Velos geprägt. Frau und Mann, Jung und Alt, Dünn und fast nie Dick bewegen sich auf Drahteseln fort, die häufig mit Körben versehen sind. Zuweilen sind diese derart gross, dass Kind, Hund und Einkaufstüten darin Platz haben. Das Mieten eines Velos gehört denn auch zu einem Kopenhagen-Trip wie der Besuch des Vergnügungsparks Tivoli.
Allerdings ist Velofahren im Zentrum kein stressfreies Vergnügen – trotz der gut ausgebauten Radwege. Einerseits ist der Strom der Radfahrerinnen und Radfahrer für Ungeübte zuweilen beängstigend; es kommt häufig vor, dass 50, 60 Personen auf dem Rad sitzend vor einer roten Ampel warten. Anderseits sind die meisten Mieträder mit Rücktritt ausgestattet, was für Unkundige zu brenzligen Situationen führen kann.
Trotz der Unsicherheiten der Touristen: Die Velostadt funktioniert hervorragend. Und das hat vor allem drei Gründe: Erstens haben die Stadtplaner das Auto nicht zum Feindbild erkoren; es herrscht ein symbiotisches Nebeneinander, auch weil offensichtlich genügend Parkplätze und Fahrspuren für den motorisierten Verkehr vorhanden sind. Zweitens hat es kaum E-Bikes, weshalb sich die meisten in ähnlichem (recht forschem) Tempo fortbewegen und weniger Gefahrenmomente entstehen. Drittens, und das ist der wichtigste Punkt, agieren die Radfahrerinnen und Radfahrer diszipliniert und gesittet. In der Schweiz und in Bern im Speziellen betrachten sich viele Velofahrer als moralisch überlegen und daher nicht an Verkehrsregeln gebunden, was Das-sich-fortbewegen für Fussgänger sowie Autofahrer oft unangenehm und zuweilen gefährlich macht.
In vier Tagen habe ich in Kopenhagen niemanden gesehen, der auf dem Velo trotz Rotlicht abgebogen ist. Auch das Fahren auf dem Trottoir ist in Dänemarks Hauptstadt tabu. In der Fussgängerzone wird der Drahtesel selbstverständlich gestossen, zumindest von den Dänen. Die Touristen sind in dieser Hinsicht etwas weniger diszipliniert. Bern soll zur Velostadt werden, doch die Bernerinnen und Berner müssen noch viel lernen. Zum einen ist das Verteufeln des Autos keine schlaue Strategie, zum anderen ist respektvolles, korrektes Verhalten auf dem Velo unabdingbar.